Nr. 27-02 (1999)

Irenik, Buddhismus und Feminismus

Nr. 27-02 (1999)

von Prof. Dr. Edmund Weber,
Direktor des Instituts für Wissenschaftliche Irenik
an der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main

Grußwort an das Internationale Symposion: Frauen im Buddhismus,
7. – 9. Febr. 1997, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main.

Ich möchte Sie im Namen des Instituts für wissenschaftliche Irenik zu diesem internationalen akademischen Symposium über Frauen und Buddhismus herzlich begrüßen.

Lassen Sie mich zunächst einige Worte zum Institut für Wissenschaftliche Irenik und seinem Programm sagen. Das Institut wurde 1965 von dem hiesigen systematischen Theologen und Religionswissenschaftler Prof. Lic. theol. Dr. phil. Wolfgang Philipp gegründet und auf Beschluß des Großen Rates der Johann Wolfgang Goethe Universität und des hessischen Kultusministers eingerichtet. Durch diese Gründung hat

Wolfgang Philipp, er verstarb zu früh im Jahre 1969, eine alte theologische Disziplin wieder zum Leben erweckt, die im 19. Jahrhundert durch die sogenannte Apologetik verdrängt worden war. Apologetik diente und dient der ideologischen Verteidigung der Interessen etablierter religiöser Institutionen und Organisationen. Und das hieß im 19. Jahrhundert vornehmlich die Bekämpfung des bürgerlichen Atheismus, im 20. Jahrhundert die Bekämpfung des Marxismus und nunmehr der neuen nicht-kirchlichen religiösen Bewegungen und der neu erwachten nicht-christlichen Religionen.

Die Wissenschaftliche Irenik hat im klaren Gegensatz dazu eine ganz andere Aufgabe. Die Bezeichnung Irenik leitet sich von dem griechischen Wort „Eirene“ her, das wir normalerweise mit Frieden übersetzen . Das ist in unserem Zusammenhang hier, jedoch im Zusammenhang der Wissenschaftlichen Irenik, als Übersetzung des hebräischen Wortes Shalom zu verstehen , meint also den positiven Zustand des Heils. Die Aufgabe der Irenik besteht also darin, das Heilsame der Religionen zu bewahren. Das heißt im Rahmen wissenschaftlicher Religionskritik, die für die Menschen notwendige aber relative Bedeutung der verschiedenen einzelnen Religionen heraus zuarbeiten .

Die konkreten Religionen bilden nach irenischer Vorstellung bloße, aber notwendige Tangenten an die letztlich unbegreifliche, allgemeine Wahrheit menschlicher Existenz. Sie berühren die Wahrheit, entbergen sie in ihren vielfältigen Aspekten, können sie aber nicht einkreisen und in ihrer Fülle verfügbar machen. Wird dies dennoch versucht, geraten die entsprechenden Religionen und auch Weltanschauungen zu totalitären Systemen und produzieren unweigerlich auf ihre Alternativen den sogenannten metaphysischen Haß.

Wolfgang Philipp hat der Wissenschaftlichen Irenik die Aufgabe zugewiesen, mit den Mitteln interdisziplinärer, wissenschaftlicher Erkenntnis die Wurzeln dieses metaphysischen Hasses bloßzulegen, seine zerstörerischen Strategien auf zudecken und Empfehlungen zu seiner Überwindung zu formulieren.

Es ist selbstverständlich, daß Irenik nicht an Instituten dieser Aufgabenstellung allein betrieben wird. Sie ist und wurde, gerade auch in den Religionen, als zentrales Thema zur Gestaltung unseres Zusammenlebens, auf dem nunmehr gemeinsam geteilten Planeten, erkannt.

Eine bedeutende Rolle bei der Irenisierung der religiösen Verhältnisse heute, spielt immer mehr der Buddhismus. Zwar ist es falsch, den Buddhismus pauschal als Friedensreligion zu bezeichnen, doch setzt er und ganz besonders als tibetischer Buddhismus unter Leitung des jetzigen Dalai Lamas, gewaltige irenische Ressourcen frei. Der Dalai Lama erklärt immer wieder, daß keine einzelne Religion das Heil für alle Menschen bewerkstelligen kann, auch der Buddhismus nicht, daß es dazu grundsätzlich der Alternativen bedarf: „Tastes, interests and abilites differ from man to man. Hence it is not feasible for any religion to fullfill their needs.“ Und deshalb trifft er die fundamental irenische Feststellung: „Just as one and same food is not platable to all similarly no single religion is suitable for all.“[1] Aber neben diese heilsnotwendige Religionsvielfalt tritt für den Dalai Lama das heilsnotwendige Verlöschen von überlebten Gestaltungen der Religionen: „According to Bagavan Buddha all sacraments are subject to change. Hince for the preservation of fundamental principles of Dharma it is essential to review them from time to time and we must be prepared to adopt new and useful things and dispel those which proved outdated.“[2]

Unter dieser Perspektive sollte überlegt werden, ob es nicht endgültig an der Zeit ist, in den Religionen den alten Sakralpatriarchalismus, der die Frauen in den heiligen Dingen zu inferioren Wesen degradierte und immer noch degradiert, endlich über Bord zu werfen. Diese Schlußfolgerung drängt sich besonders wegen der historischen Tatsache auf, daß als fatale Konsequenz patriarchalischer Geschichtsherrschaft die geistige Bereitschaft und die daraus entwickelte technischen Fähigkeit, um einer bestimmten Daseinsweise die ganze Erde zu vernichten, entstanden ist. Angesichts dieser historischen Erfahrung mit patriarchalischer Weltgeschichte müssen die gewaltigen spirituellen Ressourcen weiblicher Existenzerfahrungen aus dem Schattendasein der Geschichte herausgeholt und, um vielleicht eine etwas friedlichere Welt zustande zu bringen, umfassend mobilisiert werden.

Der Buddhismus, eine historisch nicht minder patriarchalisierte Religionskultur, wird gemäß den Prinzipien des Dalai Lama sicherlich in der Lage sein, einen entscheidenden Beitrag zu dieser irenischen Mobilisierung zu leisten.

Auch dieses Symposion möge dazu beitragen, den irenischen Geist durch religionswissenschaftliche Arbeit zur Entfaltung zu bringen.

Ich möchte deshalb mit zwei uralten Segenswünschen schließen, die zeigen, daß die irenische Tradition sich trotz aller Aggression, zumindest in der heiligen Liturgie des Westens und des Ostens, bis heute durchgehalten hat: Der Friede sei mit Euch. Shanti, Shanti, Shanti.

Anmerkungen:
1] Mahamahin Dalai Lama: No difference in Philosophy. Hindu Vishva. March-April 1979 (Special Number Second World Hindu Conference, Prayag 25th, 26th & 27th January, 1979), S.31
2] a.a.O.

Link zum Artikel: relkultur27-02

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