Nr. 243 (2019)

Islam und plurale Gesellschaft

Nr. 243 (2019)

Von Ali Türkmenoglu

Als der Islam im 7. Jahrhundert entstand, wurde auf die bereits existierende Lebensweise mit ihren Sitten und Gebräuche geachtet. Seine Lehre wurde und wird als menschlich und logisch angesehen, da sie die bereits bestehenden Strukturen nicht zerstörte.

Muhammed war bereits ein angesehenes Mitglied der Gesellschaft, als er

die Offenbarung bekam. Diese war in einer für die damalige Gesellschaft verständlichen Sprache verfasst. Die Offenbarung basierte auf zwei wichtigen Grundlagen

  • die Berücksichtigung der sozialen Gesellschaft und
  • die Anerkennung, Achtung und Befolgung des göttlichen Willens

Der Koran berichtet, dass Muhammed nur ein Gesandter Gottes ist und es vor ihm schon andere Propheten gab.1

Die Offenbarung wurde zuerst als Weisung und Rechtleitung in arabischer Sprache den Menschen in Mekka und Umgebung gegeben, wie berichtet wird.2 Muhammed war ein Mensch, der von Gott als Prophet auserwählt worden war. Um die Offenbarung und den WilleAn Gottes verständlich zu machen, sollten sie in der Sprache der Menschen verkündet werden. Deshalb ist der Koran in arabischer Sprache herabgesandt worden.

Damit der göttliche Wille anerkannt wurde, hat er die sozialen Bedingungen der Menschen geachtet.

Der Koran erklärt uns„ Und wenn wir einen fremdsprachigen Koran gemacht hätten, bestimmt würden sie sagen“ Warum sind nicht seine Zeichen erklärt? Fremdsprachig und ein Araber?“ Sag Er ist für diejenigen, die glauben, Rechtleitung und Heilung, und für diejenigen, die nicht glauben, ist er in ihren Ohren Schwerhörigkeit, und er ist für sie Blindheit.“3

In einem anderen Vers wird berichtet, dass der Koran zum Nachdenken und Hinterfragen und als Rat an den Verstand der Menschen herabgesandt wurde.4 Erste göttliche Aufgabe von Muhammed war, dass er mit der Offenbarung erst die Mekkaner und seine Verwandten konfrontieren sollte.5

Der Koran verbietet einen Zwang im Glauben.6 In diesem Sinne war die islamische Gesellschaft eine Glaubensgemeinschaft. Daher existiert die Glaubensgesellschaft nicht durch Gewalt, sondern durch eigenen Willen, denn durch Gewalt im Glauben gibt es viele Heuchler. Weil die Beziehung zwischen Schöpfer und Geschöpfen ein reines Gewissen und Aufgeschlossenheit voraussetzt, hat Gott die Mitgliedschaft zum islamischen Glauben nicht nur von seinem eigenen Willen, sondern auch vom menschlichen abhängig gemacht und dies auch so erklärt. „Wenn dein Herr es gewünscht hätte, hätte er alle

1 Koran 3, 44

2  Koran 42, 7

3 Koran 41, 44

4 Koran 38, 29; 47, 24

5 Koran 26, 214

6 Koran 2, 256

Menschen zu einer einzigen Gemeinschaft gemacht. Aber die Menschen hören nicht auf, sich zu streiten.“7Daraus ergibt sich, dass Unterschiede und Uneinigkeit im Glaubensleben in der Welt als göttliche Gegebenheit verstanden werden sollen. Denn würden der Glaube und die Rechtleitung nur vom Willen Gottes abhängig sein, wäre keine individuelle Verantwortung des Menschen möglich.

Darüber sagt der Koran wie folgt „Obwohl du darauf bestehst, werden viele Menschen nicht gläubig.“8

„Wenn dein Herr es gewollt hätte, bestimmt wären alle Menschen auf der Erde insgesamt Muslime. Willst du die Menschen zwingen, bis sie Gläubige werden?“9

Muhammed als Prophet wünschte sich, dass die Menschen zum Islam übertreten. So sollte auch sein Onkel Ebu Talib Muslim werden. Doch Gott hat seinen Propheten dahingehend aufgeklärt, dass nur „Gott recht leitet, wen er will, und er kennt die Rechtgeleiteten am besten.“10

Nach diesem Vers wird die Rechtleitung durch den menschlichen Willen und den göttlichen Willen sowie die göttliche Gabe bestimmt.

Die islamische Lehre erkennt nicht nur die Existenz der anderen Religionen und Kulturen an, sondern sie verfolgt ihnen gegenüber eine humane und logische Verhaltensweise. Die Konsequenz daraus ist „Euer Glaube gehört euch, und mein Glaube mir!“11

Mit diesem Prinzip überlässt der Islam jedem die alleinige Entscheidung über den Umgang mir seinem Glauben und seiner Kultur. Der Koran nimmt also in seinen Weisungen keine passive Haltung ein und weist darauf hin, dass der Gesandte (Muhammed) und die Muslime bei der Einladung für göttliche Weisungen eine freundliche und höfliche Methode anwenden sollen.

„ Rufe zum Weg deines Herren mit der Weisheit und der guten Ermahnung, und streite mit ihnen auf gute Weise.12

In einem anderen Vers heißt es „ O, ihr Menschen, Wir haben euch aus einem männlichen und weiblichen Wesen geschaffen und euch zu Völkern und Stämmen gemacht, damit ihr einander kennen lernt…“13

Die islamische Grundlage besteht darin, dass der Wille Gottes in einer kulturell- pluralistischen Vielfalt liegt. Die Menschheit soll aus dieser kulturellen Pluralität ihren Nutzen ziehen. Dieser Sachverhalt wird in einem Koranvers verdeutlicht

7  Koran 11,118

8 Koran 12,103

9 Koran 10,99

10 Koran 28,56

11  Koran 109,6

12 Koran 16, 125

13 Koran 49, 13

„…Für jeden von euch haben Wir Richtlinien und eine Laufbahn bestimmt. Und wenn Gott gewollt hätte, hätte Er euch zu einer einzigen Gemeinde gemacht. Er wollte euch aber in alledem, was Er euch gegeben hat, auf die Probe stellen. Darum sollt ihr um die guten Dinge wetteifern. Zu Gott werdet ihr allesamt zurückkehren. “14Die Menschheit wird hier nicht nur als eine einzige Glaubensgemeinschaft geplant, sondern als eine Anzahl heterogener Menschen angesehen, die unterschiedlichen Religionen angehören. Dabei ist es wichtig, dass die Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen und Kulturen nur friedlich um Gutes miteinander wetteifern sollen.

Alle diese Koranverse legen eine gute Basis für ein friedliches und respektvolles Zusammenleben in der pluralen Weltgesellschaft.

Die vorherrschende Kultur im Islam soll auch anderen, egal welcher Religion und Kultur sie angehören, die Möglichkeit geben, in Harmonie zusammen zu leben. Weil das Thema Pluralität ein wichtiger Bestandteil islamischer Kultur ist, soll die muslimische Gesellschaft oder Herrschaft mit anderen Kulturen, die unter ihnen weilen, menschlich, friedlich und gerecht umgehen. Anders soll nur verfahren werden, wenn die andere Kultur gegen die Grundwerte im Sinne der Verfassung verstößt.

Menschenrechte und Freiheit werden durch die islamische Lehre gewährleistet. Im Koran wird wie folgt berichtet „ Gott verbietet euch nicht, zu denen gütig und gerecht zu sein, die euch nicht wegen eures Glaubens bekämpft haben oder euch aus euren Häusern vertrieben haben. Gott liebt fürwahr die gerecht Handelnden.“15

Dieser Vers muss in seinem zeitlichen Zusammenhang gesehen werden; als Anlass wird in den Quellen berichtet, galt der Besuch der Mutter von Esma, der Tochter von Abu Bakr . Die Mutter war als Polytheistin (muschrik) in Mekka geblieben, während Abu Bakr mit seiner Tochter nach Medina ausgewanderte. Als die Mutter ihre Tochter in Medina besuchte, weigerte sich Esma, diese zu empfangen.16

Es wird hier so verstanden, dass Kinder zu ihrer Mutter, egal welcher Religion oder Kultur sie angehört, gütig sein müssen, solange sie nicht gegen ihren Glauben gekämpft hat.

Nichtmuslime bzw. Andersgläubige werden in der islamischen Lehre anerkannt. Wer gegen den islamischen Glauben und die Gesetze kämpft, der wird die Güte und Freundschaft der Muslime verlieren. Mit diesen Menschen darf der Muslim

14 Koran 5, 48

15 Koran 60,8

16 Tafsir Ibn Kashir

keine Freundschaft schließen, sonst wird sogar der Muslim als „zalim“ im Sinne von Verräter angesehen.„ Gott verbietet euch nur, mit denen Freundschaft zu schließen, die euch des Glaubens wegen bekämpft oder euch aus euren Wohnungen vertrieben oder bei eurer Vertreibung geholfen haben. Wer mit ihnen Freundschaft schließt, tut Unrecht.“17

Von Anfang an hat die Islamische Lehre die Pluralität in der Gesellschaft akzeptiert und sich für das friedliche Miteinander der Menschen eingesetzt.

So wurden sogar mekkanische Polytheisten, die vorher gegen die Muslime gekämpft hatten, aufgenommen, wenn sie um Asyl baten, nachdem sie aufgehört hatten, gegen den Glauben zu kämpfen.

„Wenn einer der Götzendiener bei dir Zuflucht sucht, dann gewähre ihm Zuflucht, damit er Gottes Wort vernimmt. Dann lass ihn den Ort erreichen, an dem er sich sicher fühlt. Dies, weil sie ein unwissendes Volk sind.“18

Der Islam als monotheistische Religion kritisiert den Polytheismus, doch verbietet er, gewaltsam gegen ihn vorzugehen.

Trotz der Kritik an den Götzendienern erlaubt der Islam auf keinen Fall Beschimpfungen gegen sie.

„ Und schmäht nicht diejenigen, die sie neben Gott anrufen, damit sie nicht ihrerseits aus Feindschaft und Unwissenheit Gott schmähen.“19

Das Verbot der Beleidigung bildet die Grundlage für ein friedliches Miteinander in der pluralen Gesellschaft.

Als anderes Beispiel werden die Magier genannt, deren Glauben vom Koran als entscheidungswürdig durch Gott im Jenseits angesehen wird.

„ .. Über die Magier und Polytheisten wird Gott gewiss am Tage der Auferstehung entscheiden. Siehe, Gott ist Zeuge aller Dinge.“ 20

Nach der Sunna wurde mit den Magiern der Dimmavertag geschlossen. Sie galten als Schutzbefohlene. Die Männer mussten Kopfsteuer zahlen.

Eine Überlieferung von Muhammed besagt

„Wendet   auf   sie    den   gleichen    Status   an,   wie    bei    den   anderen Schriftreligionen.“21

Der Islam erkennt Judentum und Christentum als Schriftreligionen an.

Um kulturelle Pluralität in der Gesellschaft zu fördern, erlaubt der Koran Eheschließungen mit jüdischen und Christlichen Frauen.22

17 Koran 60,9

18 Koran 9,6

19 Koran 6, 108

20 Koran 22,17

21 al-Gassas Ahkam al-qur´an, Bd.3, S.91-93

22 Koran 5,5

Auch von Angehörigen der Schrift Religionen geschlachtetes Fleisch darf verzehrt werden.23Der Koran als erste Grundlage des Islam klärte damals das Verhältnis zu den Juden. Er wies ihr Verhalten den Muslimen gegenüber zurück, da sie über den Glauben der Muslime spotteten und scherzten.24 Noch dazu wurde im Koran postuliert dass die Juden ihre eigenen Bücher falsch ausgelegt haben, indem sie Wörter verdrehten und ihre Bedeutung anders auslegten.25

Auch bevorzugten sie das irdische Leben vor dem Jenseits.26

Sie haben Unrecht getan, weil sie übertriebenen Zins genommen und Leute in den Ruin getrieben haben.27 Die Juden haben ihre eigenen Normen und Grundlagen nicht beachtet.28

So töteten sie sogar ihre eigenen Propheten widerrechtlich.29

Trotz der Kritik an den damaligen Juden geht der Koran nicht gegen die Religion an sich, sondern gegen die Auslegung ihrer Schrift (Thora) und ihr Handeln vor.

Man darf das Verhalten der Juden damals nicht mit dem Verhalten der heute lebenden Generation gleich stellen. Leider wird dieser Fehler heute von unwissenden Menschen immer wieder gemacht.

Das Christentum genoss die Sympathie des Koran, da „.. den Gläubigen diejenigen am freundlichsten gegenüberstehen, welche sagen „Wir sind Christen“, weil unter ihnen Priester und Mönche sind, die nicht hochmütig sind.“30

Die Einschätzung des Korans zum Christentum belegt das gute Verhältnis beider Religionen zueinander. In mekkanischer Zeit begründete sich die positive Beziehung zu äthiopischen Christen. Zu dieser Zeit flüchteten erste Muslime nach Äthiopien, weil dort ein gerechter christlicher Herrscher regierte.31

Seit dieser Zeit war es erlaubt, christliche Frauen zu ehelichen und von Christen Geschlachtetes zu essen.

Der, als berühmtes Abkommen bzw. Charta von Medina, geschlossene Vertrag beinhaltet bürgerliche Rechte, die aus zwei Hauptteilen bestehen.

Der erste Teil betrifft die Muslime, der zweite Teil Juden und Götzendiener.32

23 Koran 5,5

24 Koran 5,57

25 Koran 4,46; 3,72;2,73;5,15; 5,44

26 Koran 2,86

27 Koran 4,161

28 Koran 2, 101

29 Koran 2,61

30  Koran 5,82

31 Koran 30,1-4

32 Hamidullah, Muhammed, wasaik al-siyasiya

Er regelt das Zusammenleben von Muslimen aus Mekka und Medina mit den Juden und Götzendienern und fordert die Verbindung zu einer Gesellschaft. (Umma). Wohlbemerkt die damaligen Muslime und die Juden in Medina werden hier als eine zusammengehörige Gesellschaft (Umma) betrachtet.Im 54. Paragraph des Vertrages wird betont, dass jeder seine Religion ausüben darf und kann, und die Unterschiede im Glauben und in der Kultur akzeptiert werden. Jeder soll den Anderen achten.

Heutzutage würde man diese Situation als heterogene Gesellschaft bezeichnen.

Auf der anderen Seite werden in der Charta von Medina die ethnischen und kulturellen Eigenarten erwähnt. Besonders die ersten acht Normen betreffen die Erwähnung der ethnischen Gruppen und Stämme.

Jede ethnische Gruppe sollte in ihren kulturellen Angelegenheiten frei entscheiden, das heißt, in diesem Abkommen ist die Religionsfreiheit und Gewissensfreiheit in der pluralen Gesellschaft gewährleistet.

Außerdem gab es von Anfang an in der muslimischen Welt Nichtmuslime, die friedlich mitten unter ihnen wohnten. Zum Beispiel Christen aus dem Jemen, die unter der Voraussetzung, dass sie ihre Religion weiterhin ausüben durften, Kopfsteuer als Schutzbefohlene zu zahlen bereit waren.33

Die offene und tolerante Handlungsweise des Propheten Muhammed in Bezug auf die Menschen der Schrift (Juden, Christen) sollten den Muslimen als Vorbild dienen. Im Vertrag, der mit den Christen von Nadschran abgeschlossen wurde, die in Südarabien lebten, gab der Gesandte Gottes eines der besten Beispiele von Toleranz und Offenheit. Der Vertrag enthielt den folgenden Artikel

Das Leben der Menschen von Nadschran und Umgebung, ihre Religion, ihr Land, Besitz und Vieh, sowohl derer die anwesend sind, als auch derer die abwesend sind, ihre Botschafter und Andachtsstätten stehen unter dem Schutz Gottes und der Bewachung Seines Propheten.

Mittels solcher Verträge sicherte der Prophet sowohl für die Muslime, wie auch für Ahl al- Kitab (Menschen der Schrift) eine Sozialordnung, die von Frieden und Sicherheit gekennzeichnet war. Diese Ordnung war eine Realisierung des folgenden Koranverses

„Diejenigen, die glauben, und diejenigen, die dem Judentum angehören, und die Christen und die Saabier, – (alle) die, die an Gott und den jüngsten Tag glauben und tun, was Recht ist. Ihnen steht bei ihrem Herrn ihr Lohn zu, und sie 33 Ibn-Hischam, sira, Bd. II, S.233

brauchen (wegen des Gerichts) keine Angst zu haben, und sie werden (nach der Abrechnung am jüngsten Tag) nicht traurig sein.“ (Koran 2, 62)Diese offene und tolerante Haltung des Propheten wurde auch nach seinem Tode durch die vier rechtgeleiteten Khalifen weiter verfolgt. Nach der Ausbreitung des Islam konnten die Einheimischen sowie die „Andersgläubigen“ ihr Leben in Frieden und Sicherheit führen. Abu Bakr, der erste Kalif, verlangte von seinen Leuten gerechtes und tolerantes Verhalten in der Verwaltung dieser Länder, entsprechend den Werten des Korans.

Unter den Umayyaden wurde diese Haltung sogar noch verstärkt. So ließ beispielsweise der Umayyaden-Khalif im Jahr 694 neue Münzen aus Gold prägen – und zwar in byzantinischen Prägeanstalten – und nicht wie bis dahin üblich in Silber. Anders als in der arabischen Welt wurden im byzantinischen Reich üblicherweise Goldmünzen hergestellt. Diese Umgangsform der Khalifen mit anderen Kulturen und Völkern zeigt eine – für damalige Verhältnisse –  stark “ multikulturell“ ausgeprägte Politik. Diese Offenheit wurde vom achten bis zum zehnten Jahrhundert fortgeführt, in Zeiten der kulturellen und wissenschaftlichen Entwicklungen durch die Muslime. Insbesondere die Übersetzung alt-griechischer, philosophischer und wissenschaftlicher Werke ins Arabische und ihre Weiterentwicklung zeugen von dieser Epoche.

Es gibt noch zahlreiche andere Beispiele für die kulturelle Vielfalt der damaligen muslimischen Gesellschaft. Wie schon erwähnt, waren die meisten Wissenschaftler, die in den islamischen Staaten lebten, keine Muslime, insbesondere die Ärzte waren größtenteils jüdischer und christlicher Herkunft.

Die tolerante und offene Politik in der muslimischen Gesellschaft gegenüber anderen Religionen und Kulturen ermöglichte ihnen einen noch nie da gewesenen kulturellen und materiellen Reichtum.

Man sieht an diesen Auswirkungen dass die Pluralität in der Gesellschaft von Gott gewollt war.

Bis auf einige wenige Ausnahmen bei der Einschränkung ihrer Rechte – wie beispielsweise während der Kreuzzüge – lebten die „Andersgläubigen“ in den islamischen Staaten in Frieden. Doch auch während dieser Konfliktphasen, und so lange sie sich aus diesen Konflikten heraushielten, durften sie nach ihrer Religion und ihren Traditionen leben, ohne um ihr Leben zu fürchten oder unterdrückt zu werden.

Auch unter den Seldschuken und im Osmanischen Reich erfuhren die „Andersgläubigen“ eine gerechte und tolerante Einstellung durch die muslimische Herrschaft.

Auch einige westliche Historiker registrierten diese Haltung. Zum Beispiel der britische Forscher Thomas Arnold konstatiert in seinem Buch „The Spread of Islam in the World“ den Willen vieler Christen, sich aufgrund dieser Haltung unter die seldschukische Herrschaft zu fügen

Eben dieses Gefühl der Sicherheit des religiösen Lebens unter muslimischer Herrschaft bewog viele der Christen in Kleinasien (Anatolien) die seldschukischen Türken als Befreier willkommen zu heißen…5Ebenso ist die Geschichte des Osmanischen Reiches verbunden mit vielfältigen Beispielen der Toleranz. Das Osmanische Reich herrschte über fast sechs Jahrhunderte in verschiedenen Ländern verteilt über drei Erdteile.

Die Art und Weise, wie die jüdischen Gläubigen sich zur Zeit von Sultan Beyazid II, ca. 1492 in den osmanischen Ländern niedergelassen haben, nachdem sie schrecklichen Massakern und der Verbannung aus den katholischen Königreichen von Spanien und Portugal ausgesetzt waren, ist ein schönes Beispiel der Toleranz, die die islamischen Normen mit sich bringt.

Die meisten der heute in der Türkei lebenden türkischen Juden sind die Nachkommen jener spanischen Juden. Sie haben ihre Religion und Bräuche, die sie vor mehr als 500 Jahren aus Spanien mitgebracht haben, den Lebensbedingungen in der heutigen Türkei angepasst, und leben dort weiterhin in Frieden. Sie unterhalten dort sogar ihre eigenen Schulen, Krankenhäuser, Altersheime, kulturellen Vereinigungen und Zeitungen.

Die muslimischen Gesellschaften, aber auch die muslimischen Herrscher sind – bis auf wenige Ausnahmen – bis zum Ende des osmanischen Reiches den toleranten und multikulturellen Weg des Propheten Muhammeds gegangen. Sie haben fast allen Völkern und Glaubensrichtungen, die sie erreichten, Frieden und Sicherheit gebracht. Denn sie haben sich an Gottes Gebot gehalten. Im Koran heißt es

„Und dient ausschließlich Gott und gesellt ihm nichts bei und erweist den Eltern Wohltätigkeit und ebenso den Verwandten, den Waisen, den Bedürftigen, dem nahen und dem fernen Nachbarn, dem Weggefährten, dem Reisenden und den Leibeigenen. Gewiss liebt Gott nicht den, der arrogant und selbstherrlich ist.“ (Koran; 4, 36).

Die Brüderlichkeit, der Frieden, die Toleranz und die Liebe sind die wichtigsten Grundlagen der koranischen Ethik. Es war daher das Bestreben der gerechten muslimischen Herrscher diese erhabenen Tugenden zu realisieren und auf der Welt zu verbreiten.

Trotz dieser islamischen Lehre und Ethik ist heutzutage zu beobachten, dass die Forderung nach Pluralität und Anerkennung der Andersgläubigen, bzw. des Andersseins nicht entsprechend der Theorie auch im täglichen Miteinander gelebt wird.

Es ist eine wichtige Aufgabe der universitären Bildung und Erziehung, diese Lehre und Ethik ins Blickfeld zu nehmen und zukünftige Lehrer zu befähigen, verstärkt darauf zu achten, dass sie vom Kindergarten bis zur Universität im Leben umgesetzt wird, da die heutige Realität eine noch viel größere kulturelle Vielfalt in der Gesellschaft aufweist.

5  ThomasArnold,TheSpreadofIslam intheWorld,AHistoryofPeacefulPreaching,S.96f.

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